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32

 

 

"Bin wieder da!" ertönte Reita’s jungenhafte, dennoch müde klingende Stimme im Wohnzimmer. Verwundert sah er sich um. Niemand war zu sehen, bis er dann auch schon Aoi’s Stimme von irgendwoher wahrnahm. Reita steuerte sofort auf die Terrasse zu und entdeckte dann auch schon Aoi und Kanae.

"Ach, da steckt ihr?!" seufzte er und rieb sich müde die Augen. Er hatte das Gefühl, sogar im Stehen schlafen zu können. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und er war einzig und allein nur mit Kai beschäftigt oder was die Arzte ihm versuchten, zu erklären.

 

Aoi’s Blick wanderte sofort zu Reita, der bereits auf die beiden zukam.

"Hi." sagte Reita und gähnte, ließ sich dann auf dem Stuhl nieder, auf dem Kanae zuvor gesessen hatte.

"Was ist mit Kai? Wie geht es ihm?" fragte Kanae sofort und kam auf allen vieren auf Reita zu gekrochen. Er seufzte nach wie vor und schüttelte seinen Kopf, während er damit beschäftigt war, sich von seinem Nasentuch zu befreien.

"Negativ. Die Ärzte wollten ihn noch da behalten. Sie informieren uns, wenn wir ihn nach Hause holen können. Dem Jungen geht es so verdammt dreckig, wie man den wieder hinkriegen soll, is’ mir echt’n Rätsel." meinte Reita und gähnte nochmals.

"Du siehst auch nicht viel besser aus." meinte Aoi, nachdem er Reita von der Seite gemustert hatte. Er nickte.

"Ich könnte echt im Stehen einpennen. Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugemacht, weil ich nur damit beschäftigt war, Kai irgendwie aufrecht zu halten. Und vorhin haben die Ärzte mir noch Blut abgezapft, weil ich zufällig der geeignete Spender war, um einem kleinen Kind mein Blut zu geben. Und jetzt habe ich echt keine Lust mehr auf irgendetwas. Ich will einfach nur etwas essen, duschen gehen und dann einfach nur schlafen." erklärte Reita, dem schon fast die Augen zufielen.

"Ich mach dir was." meinte Aoi, der dann auch schon nach drinnen verschwunden war.

"Und wie geht es dir?" fragte Reita dann und sah Kanae, die sich auf Aoi’s Stuhl gesetzt und sich in Reita’s Richtung gesetzt hatte, abwartend an. Sie versuchte zu lächeln.

"Etwas besser. Ich habe sehr lange geschlafen." erklärte sie und sah Reita nur wieder gähnen. "Na das klingt doch schon mal gut. Es ist außerdem viel besser für dich, nicht nur zu weinen. Der Schlaf schien dir auch gut getan zu haben, Aoi hat mir davon erzählt." sagte Reita dann und ließ seinen Kopf nach hinten sinken.

"Vielleicht." meinte Kanae nur und senkte ihren Kopf.

"Hallo, ich bin der Reita, ein knuffiger Teddybär." grinste Reita dann, um Kanae etwas aufzuheitern. Rasch hob Kanae ihren Kopf und sah Reita mit dem Teddybär, der jedoch ein völlig anderer als gestern war, vor Kanae hockte.

"Das ist schon der zweite. Meinen anderen habe ich Kai gegeben, damit es ihn wenigstens ein bisschen aufheitert." erklärte er dann und fuchtelte amüsant mit dem Teddybären vor Kanae’s Nase umher. Sie lächelte.

"Sei nicht mehr traurig, sonst bin ich das auch. Und du willst doch bestimmt nicht, dass ich traurig bin, weil ich doch so knuffig bin, oder?". Auch wenn es Reita genauso schlecht ging, so versuchte er diese Tatsache ein wenig zu überspielen. Er wollte einfach nicht, dass jetzt alle ihr Lachen verlieren. Er wollte das Lachen beibehalten, welches in diesem Haus oft genug zu hören war - ja, als die Welt noch in Ordnung war.

"Das ist lieb von dir, Reita." sagte Kanae und schob den Teddybären zur Seite, um Reita ansehen zu können.

"Ach was. Ich will nur nicht schon wieder jemanden weinen sehen, das mag ich einfach nicht. Ich weiß, dass man das, was gestern passiert ist, nicht einfach wegdenken kann. Diese Tatsache existiert nun einmal, so ist die Realität. Eigentlich bin ich immer der Letzte, der sich das Lachen verkneift, aber ich versuche es wenigstens, damit euer Lachen nicht versiegt, weißt du? Dieses Lachen, das Lachen von euch allen, lebt nun mal in diesem Haus und es soll jetzt nicht einfach verschwinden." erklärte Reita, der etwas peinlich berührt von Kanae’s Worten war, als er dabei an dem Teddybären herumfummelte.

"Trotzdem, danke." meinte Kanae und streichelte mit ihren Händen beide Wangen von Reita. Und als sie ihn so ansah, verstand Kanae erst jetzt richtig, was Aoi dazu gebracht hatte, sich in Reita zu verlieben. Er hatte in der Tat ein hübsches, wirklich niedliches Gesicht. Doch er versteckte es einfach zu oft hinter seinem Nasentuch, auch wenn es sein Markenzeichen war. "Du bist niedlich, Reita. Jetzt verstehe ich, warum Aoi sich ausgerechnet in dich verliebt hat." sagte Kanae dann und sah in Reita’s Gesicht, welches plötzlich errötet war. Wie ein kleiner Junge sah Reita sie dann an und fummelte nervöser an dem Teddybären in seinen Händen.

"Hör auf, das ist mir peinlich, wenn du das sagst." murmelte er und senkte seinen hochroten Kopf. Er hatte nichts gegen Komplimente, aber manchmal war es ihm doch peinlich. "Ich bin bestimmt schon so rot wie’ ne Tomate." meinte er dann und stand auf, drückte Kanae dabei den Teddybären in Kanae’s Schoß.

"Nur ein bisschen." versuchte Kanae zu lächeln und beobachtete Reita nur dabei, wie er ihr gewunken hatte und dann nach drinnen verschwand.

Kanae starrte einen Moment lang den Teddybären in ihren Händen an und ließ sich dann nach hinten in den Stuhl sinken. Die Wärme machte sie müde und ließ sie letztendlich auch einschlafen.

Zur gleichen Zeit brutzelte Aoi Spiegeleier in einer Pfanne, während er das Küchenfenster aufgerissen hatte, um eine Zigarette zu rauchen. Nachdenklich starrte er auf die Straße, die unruhig von Autos befahren wurde. Das laute Hupen eines LKWs und die Tatsache, dass Reita, der plötzlich in der Küche stand, laut fluchend die Pfanne vom Herd nahm, riss ihn wieder in die Realität zurück.

"Hey, warum passt du nicht auf, wenn du schon Eier in die Pfanne haust?! Sieh’s dir an, jetzt sind sie verbrannt und ungenießbar." seufzte Reita dann und beseitigte die angebrannten Eier. "Und du brauchst mir keine neuen zu machen, ich werde später etwas essen." meinte Reita dann, als er Aoi dabei beobachtete, wie dieser zwei neue Eier aus dem Kühlschrank holte. Ohne ein Wort legte er sie dann zurück und sah Reita dann einfach nur an.

"Es tut mir leid." sagte er dann und kam auf Reita zu, den er einfach an sich gerissen hatte.

Reita verstand in diesem Moment gar nichts.

"Äh, Aoi, ist alles in Ordnung?" fragte er nur und schob Aoi vorsichtig von sich.

Doch statt zu antworten, hatte Aoi Reita von neuem gepackt und ihn anschließend auf den Küchentisch gesetzt. Er drückte mit seinen Händen Reita’s Hände auf die Tischplatte und sah ihn ernst und gleichzeitig irgendwie wehleidig an.

"Hör mal…" stammelte Aoi und wandte seinen Blick nun doch von Reita. Reita selbst ahnte bereits Schlimmes, obwohl es im Moment eigentlich nichts Schlimmeres gab, als das Geschehene von gestern.

"Ich muss, was dich betrifft, etwas loswerden." sagte Aoi dann und sah wieder in Reita’s Gesicht. Er hatte in diesem Moment den Blick eines kleinen Jungen im Gesicht.

Dennoch seufzte Reita nur. "Kann das nicht bis später warten? Ich würde jetzt gerne duschen und mir etwas anderes anziehen." erwiderte Reita und sah Aoi nur abwartend dabei an. Aoi schüttelte aber nur seinen Kopf.

"Ich will es dir aber jetzt und nicht erst später sagen." meinte Aoi und sah Reita flehend an - es erschien ihm beinahe so, als würde Aoi darunter leiden. "Bitte." flehte er dann.

Reita nickte dann einfach nur und gab nichts weiter darauf, es hätte wenig Sinn gemacht, sich gegen Aoi zu wehren. Es war schon immer so.

"Es hat sich etwas ergeben…" begann Aoi und hielt darauf einen Moment lang inne.

"Vielleicht ist es eher schwachsinnig, jetzt mit so etwas zu kommen. Aber mir wurde heute klar, wie dumm ich doch eigentlich war." fuhr er dann fort und wusste mittlerweile schon gar nicht, wohin er noch seinen Blick richten sollte.

"Aha." bemerkte Reita teilnahmslos, aber es war nicht so, dass es ihn nicht interessierte.

"Ich liebe dich…" sagte Aoi dann einfach nur und berührte mit seinen Lippen Reita’s Mund. Reita erinnerte sich dabei an den Tag zurück, an dem Aoi ihm Dinge an den Kopf geworfen hatte, nur weil er ehrlich sein wollte und es Reita nur verletzt hatte. Er erinnerte sich, dass sie dann kaum noch ein Wort miteinander gesprochen hatten. Doch die Gefühle schliefen deswegen nicht ein. Es schmerzte einfach nur ungemein. Reita erinnerte sich auch an den Vorfall, der vor ein paar Tagen passiert war - Aoi und Reita waren grausam zueinander. Sehr grausam, dass man es schon gar nicht mehr für möglich halten konnte.

"Ich war die ganze Zeit nur auf der Flucht, weil ich Angst hatte. Weil ich Angst vor meinen Gefühlen hatte und sie nicht verstehen wollte. Aber sie waren von Anfang an da. All die Jahre waren sie da, ohne, dass ich sie wirklich wahrgenommen habe und stattdessen trug ich sie unsicher auf meinen Schultern. Dafür hatte ich dir oft genug wehgetan, dich wütend gemacht und dich zum Weinen gebracht, nur weil ich es nicht wahrhaben wollte. Und jetzt, jetzt weißt du, dass du nicht allein mit deinen Gefühlen bist. Ich war immer da…immer." wimmerte Aoi nun regelrecht und ließ seinen Kopf gegen Reita’s Brust sinken. Er spürte Reita’s kräftigen Herzschlag und vielleicht schmerzte es gerade in seiner Brust. Vielleicht aber auch nicht.

"Das weiß ich doch schon längst, du dummer Idiot." sagte Reita und zog vorsichtig seine Hände hervor und legte diese um Aoi’s Hals. Erschrocken sah Aoi ihn an. Sein Lächeln konnte viel verraten. Doch Aoi verriet es, dass es wohl in Ordnung war.

"Ich wusste schon immer, dass du unsicher warst. Stets und ständig warst du am Weglaufen, denkst du, das weiß ich nicht schon längst? Die Hü- und Hotspielchen und deine Gemeinheiten, all das war doch der Beweiß dafür. Das es mir wehtat, war nur das Ergebnis, aber ich habe dich nie dafür verflucht oder gehasst, auch wenn ich es wollte. Manchmal wollte ich dir in den Arsch treten oder dir eine in die Fresse schlagen, damit du endlich aufwachst, aber ich konnte es einfach nicht. Lieber hätte ich mir eigenhändig mein Herz aus der Brust gerissen. Lieber wäre ich dafür gestorben." meinte Reita und streichelte dabei vorsichtig Aoi’s Nacken. "Es ist in Ordnung, so wie es jetzt ist. Wir sind lange genug Achterbahn gefahren, langsam sollte es aufhören." fuhr Reita dann fort. Und er hatte vollkommen Recht, es musste ein Ende haben.

"Wir sollten den Dingen ins Gesicht blicken und die Realität akzeptieren. Oder willst du immer noch weglaufen?" fragte Reita dann und sah Aoi abwartend an. Aoi wusste nicht, ob er den Kopf schütteln oder ihn senken sollte. Stattdessen starrte er einfach nur in Reita’s Augen - in Reita’s wunderschöne braune Augen, die man einfach nicht vergessen könnte, egal, ob man es wollte.

Doch jetzt schien die Welt zwischen den beiden endlich in Ordnung zu sein…

"Hallo, wir sind wieder da!" ertönte Ruki’s Stimme im Flur, als er dabei seine Schuhe auszog. Zur gleichen Zeit konnte man nur jemanden die Treppe hoch stürmen hören und das laute Geräusch einer zuknallenden Tür ertönte.

"Das war ja auch kaum zu überhören." rief Reita aus der Küche. "Warte mal…" sagte Reita dann leise zu Aoi und schob diesen vorsichtig von sich.

"Und, was sagt der Chef?" fragte Reita dann, als er aus der Küche kam und in den Flur trat. "Tja, er meint, wir sollen abwarten. Aber er bietet uns so viel Hilfe, wie wir brauchen, an. Die Interviews und Photoshootings mussten erneut abgesagt werden und der Chef sagt selber, so, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Er konnte sich außerdem gar nicht vorstellen, dass das vor der Tür unseres Studios passiert sein soll. Aber die guten alten Sicherheitskameras haben viel Beweißmittel für die Polizei." erklärte Ruki, der sich soeben von seiner weißen Jeansjacke befreit und sich eine Zigarette angezündet hatte.

"Ach? Und wie geht es weiter?" fragte Reita ungeduldig und lehnte sich dennoch gelassen gegen den Rahmen der Küchentür.

"Wir dürfen erst nach einer Woche eine Vermisstenanzeige machen, vorher läuft da nichts." meinte Ruki und hörte Aoi aus der Küche lachen.

"Eine Woche? Reichen denn die Videoaufzeichnungen nicht aus? Die beweisen doch schon genug, wozu also eine Vermisstenanzeige?" fragte Aoi dann, der nun neben Reita stand und fast schon fassungslos in Ruki’s Gesicht starrte.

"Ich versteh es doch selbst nicht. Der Chef vom örtlichen Polizeirevier hat es mir so erklärt, weil es vor Jahren schon einmal so einen Fall gegeben haben soll. Das Opfer wurde entführt, konnte sich irgendwie befreien und kam nach einer Woche wieder." erklärte Ruki weiterhin. Reita senkte währenddessen seinen Kopf.

"Das kann doch nicht wahr sein?! Es geht hierbei um einen Menschen und nicht um ein Tier, dass man einfach so per Vermisstenanzeige, die man an jeden Laternenpfosten nageln kann, sucht. Die müssen doch nicht ganz dicht sein?!" regte sich Aoi auf. Ruki jedoch seufzte nur. "Das habe ich denen auch weismachen wollen, aber die halten mich für einen dummen Jungen. Wir sollen warten, ein ganze beschissene Woche lang warten und wenn dann nichts kommt, dann sollen wir eine Vermisstenanzeige machen. Es wird dann überall in den Medien publik gemacht. Außerdem sollen wir Ausschau nach einem schwarzen Benz halten…als wenn es nicht Millionen davon gäbe." meinte Ruki, der die Küche betrat, in der es immer noch nach Verbranntem roch, trotz dass das Fenster offen war. "Nach einem schwarzen Benz Ausschau halten? Der Kerl wird sich schon längst ein anderes Auto besorgt haben!" sagte Aoi und betrat zusammen mit Reita wieder die Küche.

"Und wir sollen nichts auf eigene Faust unternehmen." sagte Ruki dann noch. Reita lachte auf und kratzte sich am Hinterkopf. "Für wie blöd stellen die uns eigentlich hin?" fragte er dann und ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder.

"Für saublöd." sagte Aoi und folgte Reita’s Beispiel. Nun war man wieder an dem Punkt angekommen, bei dem es gestern angefangen hatte - Hoffen und Bangen.

"Das kommt mir alles wie ein schlechter Krimi vor. Wollen die Bullen, dass wir wahnsinnig werden? Das ist nicht mehr normal, einfach nicht mehr normal. Und Uruha dürfen wir sicherlich noch ins Irrenhaus schaffen." meinte Ruki dann und warf sich die Hände vors Gesicht. Es war ein bedrückendes Gefühl, welches seinen Körper beherrschen wollte. "Und wie geht es Kai?" fragte Ruki dennoch weiter. Aber er sah dann auch schon Reita, wie dieser seinen Kopf schüttelte.

"Ich durfte ihn nicht mit nach Hause nehmen, die Ärzte wollen ihn noch etwas beobachten. Er sitzt wie weggetreten in seinem Krankenbett und starrt wie ein Toter vor sich hin. Bei diesem Anblick wird man selber krank im Kopf." meinte Reita und fing wieder mit gähnen an.

"Scheiße…das es ausgerechnet ihn so hart getroffen hat, ist unglaublich. Allerdings wüsste ich nicht, wie ich an seiner Stelle reagiert hätte." seufzte Ruki, dessen Blick immer wieder aus dem Fenster wanderte.

"Ich glaube, wir alle hätten genau dasselbe getan, was Kai getan hätte. Und wir hätten auch das durchgemacht, was Kai gerade durchmacht. Ich kann ihn gut, ich kann ihn wirklich sehr gut verstehen." meinte Aoi dann und ließ sich gegen die Rückenlehne des Stuhls sinken.

Aber niemand schien in diesem Moment so zu leiden wie Uruha. Er verfluchte seit dem gestrigen Tag die Welt. Man hatte ihm das grausam entrissen, was er so sehr liebte. Und er bereute es, Kim nie gesagt zu haben, dass er sie doch eigentlich liebte und für sie sterben würde, wenn es sein musste.

"Kim…wo bist du nur, Kim?" wimmerte er wie ein kleines Kind, während Tränen auf das Foto von Kim, welches er in seinen Händen hielt, tropften. Er sehnte sich nach ihrer Nähe und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sie jetzt in den Armen zu halten.

Warum war es denn bloß so schwer?

Warum konnte sie nicht einfach hier sein?

"Ich halt das ohne dich doch gar nicht aus, warum tust du mir das an? Warum, Kim?" schrie er das Foto schon regelrecht an, obwohl er wusste, dass er keine Antwort darauf bekommen würde. Auf allen vieren kroch er nun zu seinem Schreibtisch, auf dem der mit violetten Satin überzogene Karton mit Kim’s Fotos und seine Digicam stand. Er hatte sich dann vom Boden aufgerafft und sich vor seinen PC gesetzt, den er anschließend angemacht hatte. Eigentlich war es nur ein Hobby von Uruha, Filme zusammen zuschneiden, doch dieses Mal wirkte er mehr als nur fanatisch, ja, fast wie ein Irrer. Niemand, der Uruha jetzt sehen würde, kannte ihn so - so verzweifelt, dass es krank machen könnte.

Nach und nach hatte Uruha nun den Film, den er heimlich von Kim gemacht hatte, auf seinen PC gezogen. Er hatte angefangen ihn zu bearbeiten, wie er es sonst auch tat.

Es war ein grausames Bild für jeden, der ihn so sehen müsste.

Er wütete regelrecht auf der Tastatur, bis es plötzlich an der Tür klopfte und diese sich vorsichtig öffnete. Kanae, die mittlerweile wieder wach geworden war und Ruki, der der Grund dafür war, lugten in Uruha’s abgedunkeltes Zimmer, nur das Licht des Monitors erhellte die Umgebung ein wenig.

"Ich will niemanden sehen, raus!" zischte Uruha und warf mit dem Glasrahmen, in dem zuvor Kim’s Bild steckte, den beiden entgegen. Rasch wurde die Tür zugeknallt und das klirrende Geräusch von Glas war zu hören.

"Jetzt ist bei ihm eine Sicherung durchgeknallt…ich wusste es. Im Auto hingegen war er sehr still und hat nur vor sich hingestarrt." sagte Ruki, der sich mit dem nackten Rücken gegen Uruha’s Zimmertür gelehnt hatte.

"Nimm es ihm nicht übel, Ruki. Es hat ihn sehr mitgenommen, ich kann verstehen, dass er jetzt niemanden an sich heranlassen will. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass er sich nun vollkommen verschließt. Ich will mit ihm reden." meinte Kanae, die über Ruki hinweg die Tür anstarrte.

"Er wird nicht mal’ne Silbe von sich geben. Es hat keinen Zweck, du hast doch gesehen, wie er reagiert." seufzte Ruki und entfernte sich von der Tür zum Geländer, von dem er Aoi und Reita aus beobachten konnte, wie sie den Fernsehsender stets und ständig wechselten und sich dann anfingen, wegen der Fernbedienung zu streiten.

"Lass doch mal die Nachrichten, Aoi! Deinen scheiß Musiksender kannst du später immer noch angucken!" hörte man Reita plärren. Ruki grinste bei dem Anblick der beiden.

"Na, wenigstens zwischen den beiden scheint endlich alles in Ordnung zu sein." meinte er dann und blickte wieder in Kanae’s Gesicht.

"Es ist auch besser für die beiden, schließlich konnte es doch nicht ewig so weitergehen." seufzte Kanae, die bereits die Klinke von Uruha’s Zimmertür in die Hand nahm.

Ruki, der nicht länger darauf eingehen wollte sagte nur "Pass auf, dass du nicht einen Glasrahmen an den Kopf bekommst", bevor er dann wieder nach unten verschwand.

Auch Kanae hatte auf seine Worte nichts weiter gegeben und drückte dann vorsichtig die Klinke nach unten. Sie betrat, des mittlerweile durch das Nachttischlämpchen an Uruha’s Bett erhellte, Zimmer. Noch immer lagen die Glasscherben vor der Tür, nachdem Kanae diese dann hinter sich geschlossen hatte.

"Ich habe doch gesagt, ich will keinen sehen!" zischte Uruha sofort, ohne sich umzudrehen. Er stierte regelrecht auf den Monitor seines PCs. während Kanae sich hingehockt hatte und anfing, die Scherben aufzusammeln.

"Ich will nicht, dass du dich jetzt vollkommen von uns abkapselst. Es macht das alles nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist." meinte Kanae nur, die dabei auf die restlichen Glasscherben, die noch auf dem Boden lagen, starrte.

"Das ist mir egal." sagte Uruha nur. Und Kanae hatte wirklich das Gefühl, dass ihm nun wirklich alles egal war. Ihn schien es nicht mehr zu interessieren, was in der Welt passierte, in der er eigentlich lebte. Ohne Kim war alles ohne jeglichen Sinn.

Kanae stand auf und kam mit den Glasscherben in den Händen auf Uruha zu.

"Hast du nicht selbst zu mir gesagt, dass ich nicht alleine um sie weinen soll?" fragte Kanae dann und beobachtete Uruha dabei, wie er seinen Kopf langsam in ihre Richtung gedreht hatte und sie nun ansah.

"Das waren deine Worte, Uruha. Und warum willst du dann alleine weinen?" fragte Kanae weiter, deren Hände zu zittern begonnen hatten. "Wenn du weinst, dann nicht allein. Wir sind da, wir sind immer für dich da." meinte Kanae dann, wimmerte fast und Uruha sah, wie ihr Tränen in die Augen schossen. Und als Kanae Uruha so angesehen hatte, so konnte sie ihre Tränen einfach nicht zurückhalten - sein Blick glich dem eines verzweifelten und allein gelassenen Kindes. Innerlich stiegen wieder die Geschehnisse von gestern auf, wobei sie doch so sehr hoffte, wenigstens heute nicht weinen zu müssen. Aber es passierte genau das Gegenteil.

"Uns geht es doch auch nicht anders als dir. Jetzt tu nicht so, als wärst du ganz allein mit deiner Angst, mit deiner Verzweifelung. Wir alle fühlen wie du, also hör gefälligst damit auf, den Einzelgänger zu spielen, Uruha! Das bist nicht du. Das ist nicht der Uruha, wie ich ihn kennen gelernt habe." wimmerte sie dann tatsächlich los und fiel vor Uruha auf die Knie. Nein, eigentlich wollte Uruha gar nicht, dass sie weinte.

"Ich versteh dich. Ich versteh dich sogar gut. Aber es geht jetzt nicht anders. Ich muss alleine irgendwie damit klar kommen, ihr könnt mir dabei nicht helfen…ihr müsst doch erst einmal selbst damit fertig werden. Es geht einfach nicht und ich will es auch gar nicht. Es ist so viel passiert, so viel Schlimmes, dass die schönen Dinge darunter untergehen. Ich war die ganze Zeit nur am Strampeln und am Wegrennen vor meinen wahren Gefühlen…und nun? Jetzt, wo ich mir die Wahrheit endlich eingestanden habe, nimmt man mir Kim einfach weg.". Uruha selbst war kurz davor, in Tränen auszubrechen, wenn er nicht damit kämpfte, sich zusammenzureißen. "Das ist doch nicht fair, Kanae. Oder willst du mir etwa weismachen, dass das in Ordnung ist?" fragte er dann und nahm Kanae die Scherben aus den Händen, die er in den Papiereimer unter dem Schreibtisch warf.

Kanae schüttelte ihren Kopf, immer und immer wieder und senkte diesen.

"Nein." schluchzte sie dann leise.

Uruha hatte währenddessen seinen Schreibtischstuhl zur Seite geschoben und hatte sich vor Kanae hingekniet. Vorsichtig nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände - sie waren so wunderbar warm und Kanae nahm deutlich den Duft seine Parfums wahr, welches bei ihr für Gänsehaut sorgte.

"Sieh mich an." sagte er herausfordernd.

"Sieh mich an, Kanae.".

"Kanae.".

"Bitte.".

Langsam hob Kanae dann ihren Kopf und blickte in Uruha’s trauriges Gesicht. Sie hatte noch nie so viel Traurigkeit und innere Verzweifelung im Gesicht eines Menschen gesehen.

"Verstehst du mich? Ich kann es leider nicht." sagte Uruha dann, dem nun unaufhaltsam Tränen über die Wangen rollten und an den Lippen hängen blieben. Kim hätte sie ihm wahrscheinlich weggeküsst, wenn sie es gesehen hätte.

"Ich möchte es nicht verstehen. Ich möchte es nicht verstehen, weil du ein Egoist bist und an dich denkst. Das wir uns Gedanken um dich machen, scheint dich nicht zu interessieren. Lieber ziehst du dein Ding alleine durch, statt dir helfen zu lassen. Uruha, ich will nicht gegen eine Wand reden müssen, verstehst du? Ich möchte, dass du meine Worte ernst nimmst und nicht so tust, als wären sie dir egal." meinte Kanae. Sie wollte Uruha wirklich nicht verstehen. Auch wenn die Dinge seit gestern anders geworden sind, so gab es Uruha doch nicht sofort das Recht, sich alleine zu quälen, wenn es den anderen genauso erging. Es war einfach nur egoistisch von ihm.

"Ich will das einfach nicht." sagte Kanae dann und es war das erste Mal, dass sie sich wirklich so intensiv mit Uruha beschäftigte, dass sie es selbst kaum wahrhaben wollte. Es war sonst eher selten, auch wenn sie sich so gut wie jeden Tag gesehen hatten. Aber sie hatten fast nie ein Wort miteinander gewechselt - an seinem Geburtstag war erstmals die Gelegenheit dazu. Doch sonst waren sie fast wie Fremde zueinander.

Ein "Hallo" reichte meist vollkommen aus.

Warum sollte es jetzt anders sein?

Warum sollte es sich so plötzlich ändern?

Kim war nicht da und auch sonst beschäftigte sich Uruha alleine mit seiner Gedankenwelt, in die er nie jemanden hineinließ. Aber das genau das ihn auf Dauer irgendwann kaputt machen würde, realisierte Uruha nicht. Er würde zerbrechen wie der Bilderrahmen, von dem immer noch einige Scherben vor der Tür lagen.

"Bist du gerade dabei, über mich zu bestimmen?" fragte Uruha mit leicht kratziger Stimme. Ihn schien es zu stören - dabei meinte man es nur gut.

"Nein." antwortete Kanae leise und wischte Uruha dabei die Tränen von den Wangen, wischte ihm vorsichtig die Tränen von seinen warmen, weichen Lippen.

"Warum lässt du mich nicht einfach mein Leben leben?" fragte er weiter und immer wieder rollten dabei Tränen über die Wangen.

"Weil ich Angst davor habe, dass du daran zerbrechen könntest. Niemand will das und vor allem nicht Kim. Sie würde dich verfluchen, wenn sie dich so sehen würde. Sie hätte das bestimmt nicht gewollt." meinte Kanae. Es klang dabei fast schon so, als hätte sie Kim tatsächlich bereits für tot erklärt. Natürlich hatte man Angst davor, dass dies eintreffen könnte und das man mit dem Schlimmsten rechnen musste. Es war eine Tatsache, die man einfach nicht wegdenken konnte. Aber noch lebte Kim, das spürte Kanae tief in ihrem innern. Uruha lachte auf, nahm dabei seine Hände aus Kanae’s Gesicht und sah sie einfach weiterhin nur an.

"Wieso mischst du dich so plötzlich in mein Leben ein? Warum, Kanae?" fragte er dann.

Kanae fuhr erschrocken über seine Worte auf und sie empfand es schon fast als gemein.

"Ich mische mich nicht ein, das habe ich noch nie getan. Ich habe mich bisher noch nie in Sachen eingemischt, die mich nichts angehen. Das hier ist etwas völlig anderes, es geht uns alle etwas an. Es geht sowohl mich, als auch Ruki, Aoi, Reita und Kai etwas an. Wir sitzen alle im selben Boot. Aber wie mir scheint, hast du mir nicht richtig zugehört." meinte Kanae und wollte aufstehen, als Uruha sie festgehalten und prompt nach hinten gedrückt hatte. Erschrocken sah sie in sein Gesicht, von dem Tränen auf ihres tropften.

"Es ist nicht fair, so wie es ist." sagte er unter Tränen und ließ sich langsam auf Kanae’s Brust sinken. Ein ungewohntes Gefühl, wie ein schmerzhaftes Drücken in ihrer Brust lähmte sie regelrecht. Würde man die beiden, so, wie sie da lagen, sehen, würde man seine Gedanken machen - Ruki würde wütend werden, er würde es nicht verstehen wollen. Und Kim, Kim hätte dieser Anblick so wehgetan, dass es ihr wahrscheinlich das Herz brechen würde. Dabei war und wird nie etwas sein, was Gefühlen füreinander ähneln würde, denn dafür hingen die wahren Gefühle zu stark an zwei andere Menschen. Es wäre unmöglich, es wäre unvorstellbar und man würde es nicht in Erwägung ziehen können.

"Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen soll.".

"Ich weiß nicht, wie ich ohne sie leben soll.".

"Wie soll ich, ohne, dass sie neben mir im Bett liegt, einschlafen?".

"Warum muss ich feststellen, dass ich, wenn ich meine Augen aufschlage, niemanden

neben mir liegen habe?".

"Ich vermisse sie so.".

"Es tut weh.".

Uruha heulte regelrecht an Kanae’s Brust, krallte sich wie ein verängstigtes Kind in ihrem Oberteil fest. Kanae machte es irgendwie Angst - sie hatte Angst davor, dass Uruha genau wie Kai kurz davor war, seinen Verstand zu verlieren. Die Angst und diese drückende Gefühl in ihrer Brust brachte auch sie dazu, verbittert unter Uruha zu weinen.

Es war wie gestern…

Ihre verzweifelten Tränen...

Ihre erdrückende Angst…

Das grausam Spiel, in dem sie die Spielfiguren darstellten…

 

33

 

"Hör endlich auf zu flennen! Es geht mir auf die Nerven!" schrie Toshi Kim, die neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und verbittert weinte. Ihr Oberkörper war bereits übersäht von blauen Flecken und blutigen Schrammen. Toshi hatte sie gefesselt und ihren Mund verklebt.

Sie durfte nicht schreien.

Sie durfte nicht fliehen.

Sie war gefangen, war ein Vogel im Käfig. Missbraucht und grausam gequält.

Es glich einem unaufhörlichen Wahnsinn. Toshi’s Wahnsinn, seine eigene Welt.

Innerlich schrie sie aber bereits nach Hilfe - laut und energisch, dass jede andere Stimme bereist versiegte und die Kehle wund geworden wäre.

Erneut bekam sie eine Ohrfeige von Toshi und mittlerweile schmerzte es schon gar nicht mehr. Alles fühlte sich so taub an und ihre Augen schmerzten von dem Wechsel hell und dunkel eines Tunnels - das Licht erschien unermesslich grell.

Lieber hätte Kim gesagt "Halt doch die Klappe".

Lieber hätte sie ihn angeschrieen "Du Monster!".

Lieber hätte sie ihn mit ihren eigenen Händen umgebracht - ein genauso grausamer Mord, wie sie ihn selbst mit ansehen durfte. Die grausame Wahrheit eines Irren. Er hatte nicht nur Kim gequält, sondern auch Miki. Ja, Miki, die ebenfalls wie Kanae und Kim im Golden Gate arbeitete. Nur weil sie schwanger war und Toshi damit drohte, wenn er sich nicht endlich für sie entscheiden würde, zur Polizei zu gehen und das Vergehen an Kim anzuzeigen. Ihr Liebe zu Toshi machte sie blind, so blind, dass sie alles mit sich machen ließ. Sie war so blind, dass es ihr Verhängnis wurde. Ihr Gesicht bis zur Unerkenntlichkeit entstellt. Ihr wurden dieselben Kleider angezogen, die Kim ebenfalls trug - dieselben Kleider, wie Kim sie trug, als Toshi sie vor Kai’s Augen verschleppt hatte. Sie wurde grausam im Kofferraum gepackt, in Folietüte eingewickelt um sie später im See versenken zu können. Es existierte keine Rücksicht, kein Mitleid und schon gar keine Reue. Nein, so etwas empfand Toshi schon lange nicht mehr. Der Wahnsinn hatte seinen Kopf blockiert, ließ ihn nicht mehr klar denken.

Es war ein Alptraum.

Nein, es war mehr als nur das.

Es war purer Schmerz.

Es war pure Grausamkeit.

Niemand konnte sich es so, wie es Kim am eigenen Leib zu spüren bekam, vorstellen.

Es war viel schlimmer, als man es aus irgendwelchen Filmen kannte…

 

 

Eine halbe Woche war nun verstrichen - kein Zeichen von Kim, welches darauf hindeutete, dass sie wirklich noch am Leben war. Das Einzige, was man erhielt, war ein Brief, der lediglich die Zeilen trug:

 

"Es tut mir leid. Ich bin egoistisch und ihr quält euch wahrscheinlich mit der Angst.

Ich weiß es.

Aber ich werde nicht wiederkommen.

Ich werde meine kindischen Spielchen von nun an beenden, die Zeit mit euch bedeutet mir nichts mehr. Es werden nur Erinnerungen in meiner kleinen, zerbrochenen Welt sein.

Mit Gewissheit kann ich sagen, dass ihr nach diesen Zeilen schreien, weinen und wütend sein werdet. Doch kann ich nichts weiter tun, als diese Worte auf dieses weiße Blatt Papier zu bringen, weil ich es euch nicht sagen kann. Ich bin feige, aber das war ich schon immer.

Verzeiht mir meine Unhöflichkeit. Lebt wohl".

 

Wahrscheinlich kamen schon gar keine Tränen mehr, Kanae hatte sie alle bereits verweint, als sie an diesem späten Nachmittag, an dem Uruha, der sich freiwillig aus seinem Zimmer bewegt hatte, Reita und Ruki Kai aus dem Krankenhaus holen konnten - die Arzte hatten positive Veränderungen bemerkt und hatten ihm somit die Entlassung gestattet. Währenddessen hatte Aoi sich dazu bereit erklärt, für das Abendessen einzukaufen, sie wollten Kai so gut wie möglich wieder willkommen heißen. Seither waren bereits Stunden vergangen.

"Das bist nicht du…Das hast du nicht geschrieben, Kim! Du lügst!" heulte Kanae laut, die vor dem Terrassengeländer auf die Knie gesunken war und ihren Kopf dagegen gelehnt hatte, während sie mit zittrigen Händen auf das weiße Blatt Papier starrte.

"Wo bist du wirklich? Wo hält er dich versteckt? Wo?" schluchzte Kanae, die den Brief zusammenfaltete und zerreißen wollte, wenn ihr nicht jemand plötzlich diesen aus den Händen gerissen hätte. Erschrocken blickte Kanae hinter sich und starrte in Aoi’s ernstes Gesicht, sah die vollen Einkaufstüten, aus denen grüne Lauchstängel hervorlugten, die vor seinen Füßen standen.

"Gib ihn wieder her!" fuhr Kanae ihn an und war regelrecht aufgesprungen.

"Warum sollte ich? Und wieso kniest du da heulend am Boden?" fragte Aoi nur, im Versuch, Kanae von sich abzuwehren. Er konnte sich schon denken, dass es nur etwas Schlimmes, etwas Trauriges sein konnte. Man konnte ihn nicht für dumm verkaufen.

"Aoi, bitte." flehte Kanae nun regelrecht, als sie sich an seinem weißen Hemd festkrallte.

"Was steht drin? Ist er von Kim?" fragte er nur weiter und hatte Kanae etwas von sich geschoben, sie an den Schultern gepackt und gerüttelt.

Irgendwie hatte er bereits den ganzen Tag über ein seltsames Gefühl, wie eine böse Vorahnung, die sich nun langsam versuchte, zu bestätigen.

"Bitte…" heulte Kanae wie ein kleines Kind, welches man kaum noch beruhigen konnte.

Es tat Aoi in diesem Moment unglaublich weh - so unglaublich weh, dass es ihm fast das Herz zerriss.

"Verdammt, was ist es, was dich so zum Weinen bringt? Sag mir doch einfach, ob er von Kim ist oder nicht. Ich weiß definitiv, dass es nichts Gutes sein kann. Mein ungutes Gefühl hat es mir bereits verraten." meinte Aoi und riss Kanae wieder an sich.

"Kimi…." wimmerte Kanae an Aoi’s Brust, während dieser seine Arme um Kim gelegt und hinter ihrem Rücken den Brief aufgefaltet hatte. Nun las auch er die Zeilen, die Kanae so zum weinen brachten und sie es viel lieber hinausschreien wollte, was sie in diesem Moment für Gefühle hatte.

"Was ist das für ein scheißverdammter Brief?" fragte Aoi fast schon fluchend.

"Du musst es den anderen sagen." sagte er dann und streichelte tröstend Kanae’s Rücken.

"Das kann ich nicht…es macht alles nur schlimmer. Ich will das alles nicht mehr." wimmerte sie und blickte zu Aoi auf. Er lächelte.

"Du musst es aber tun, sonst hört das nie auf. Ich werde dir helfen, keine Angst." meinte er dann, als dann auch schon das Zuknallen der Hautür zu hören war, die die beiden ruckartig auseinander riss.

"Wo sind sie denn?" ertönte Ruki’s Stimme im Flur, bis sein Blick dann auch schon ins Wohnzimmer fiel, in dem Kanae und Aoi mittlerweile standen. Ruki erkannte sofort an Kanae’s Gesicht, das irgendetwas nicht stimmen konnte.

"Was ist passiert?" fragte er auch gleich und trat ins Wohnzimmer. Hinter ihm kamen dann auch schon die anderen. Kai, der nun unmittelbar neben Ruki stand, sah so unglaublich blass, ja, regelrecht krank aus. Aber niemand wollte sich zu seinem veränderten Erscheinungsbild äußern, sie behandelten ihn genauso wie vorher, nur etwas sachter als sonst.

"Hallo." sagte er schüchtern und man könnte glatt meinen, er wäre Kanae und Aoi heute zum allerersten Mal begegnet.

Kanae starrte die anderen nur mit ihren glasigen, rot geweinten Augen an.

"Ich kann nicht. Es tut mir leid!" schluchzte sie laut und war an den anderen vorbeigestürmt. Ruki sah Aoi währenddessen nur fragend an.

"Was ist hier eigentlich los?".

Er kam auf Aoi zu und riss ihm das weiße Blatt Papier aus den Händen. Mit nervös zitternden Händen faltete er das Papier auseinander. Es fühlte sich schlimmer als ein Schock an, als nun auch Ruki diese Zeilen, die er am liebsten verfluchen würde, gelesen hatte.

"Aoi, was ist das hier?" fragte Ruki weiter, obwohl er die Antwort kannte.

Aoi schwieg.

"Verdammt, was ist das, Aoi?" wurde Ruki lauter und beinahe schon ungeduldiger.

"Zeig mal her." meinte Reita, der nun als nächstes diese Zeilen zu lesen bekam und danach kam Uruha, welcher sich sofort auf die Couch setzten musste, damit er nicht einfach zusammenbrechen konnte.

Nur Kai starrte den Brief an, als wäre es wirklich ein leeres Blatt Papier.

"Aoi, was zum Teufel ist das?" fragte Ruki nun ein weiters Mal.

"Ein Brief von Kim." antwortete er mit leiser Stimme und senkte wie ein eingeschüchtertes Kind seinen Kopf.

"Scheiße! Reita, schnapp deine Maschine, wir müssen ihr sofort hinter her." meinte Ruki und sah dabei in Reita’s erschrockenes, gleichzeitig verwunderte Gesicht.

"Äh, wie jetzt?" fragte er nur, obwohl er Ruki gut genug verstanden hatte.

"Stell dich doch nicht blöd, sondern beweg deinen Arsch und bring das Ding zum Laufen!" fuhr Ruki ihn dann an. Alles zerrte im Moment an seinen Nerven. Aber ohne, dass Reita noch mal Anstalten machte, verschwand er mit den "Worten "Für deinen Kopf garantiere ich jedoch nicht, Ruki" nach draußen. Ruki meinte, es wäre ihm egal, Kanae war in diesem Moment wichtiger.

 

Später…

"Fährt das Ding nicht schneller?" fragte Ruki, der durch den Fahrtwind regelrecht schreien musste, damit Reita ihn auch hören konnte.

"Schon, aber es steht seit Ewigkeiten in der Garage. Aber warum hast du es eigentlich so eilig?" entgegnete Reita, der gerade überhaupt nichts verstand.

"Weil ich Angst habe, dass Kanae jetzt Amok laufen könnte." antwortete Ruki nur, der wiederum versuchte Ausschau nach Kanae zu halten. Trotz, dass er wusste, was sie anhatte, entdeckte er sie nicht - dabei erkannte er Kanae immer sofort wieder.

Für ihn war sie nicht zu verkennen.

"Meinst du wegen dem Brief?" fragte Reita dann nach einigen Minuten und spürte, wie sich Ruki nur fester in sein T-Shirt krallte.

"Genau deswegen. Hast du ihre Augen gesehen?" entgegnete Ruki.

Ja, Kanae’s Blick war nicht der, den er sonst von ihr kannte.

"Nein. War irgendetwas anders?" fragte er weiter .

"Es hat mir Angst gemacht. Ich will nicht, dass sie jetzt auch noch so durchdreht, wie Kai und Uruha. Das halt ich nicht aus." erklärte Ruki. Er hatte wirklich Angst und er wollte einfach nicht verstehen, wie schnell sich das Leben innerhalb von ein paar Tagen ändern konnte. Er wollte nicht verstehen, wie schnell Angst einen Menschen "zunichte" machen konnte. Es war viel zu surreal, als das es real sein konnte.

"Du liebst Kanae, stimmt‘s?" fragte Reita. Warum fragte er das auf einmal?

"Was für eine Frage! Natürlich liebe ich sie, sonst würde ich das alles hier nicht für sie tun!" erklärte Ruki, der verwundert über Reita’s Frage war.

"Ich habe einfach nur eine Scheißangst um sie. Ich kann immer noch nicht verstehen, dass unser Leben plötzlich von Angst beherrscht werden soll. Es ist krass und unnormal.".

Das waren seither Ruki’s letzte Worte, die er an Reita gerichtet hatte. Sonst herrschte nur Stille und das Geräusch des Verkehrs. Und sie hatten wirklich Mühe, Kanae zu finden. Ruki suchte sogar Kanae’s Wohnung auf und überzeugte sich selbst durch den Zweitschlüssel, ob sie da war . Aber selbst hier war es vergebens und langsam aber sicher hielt Ruki die ganze Sucherei für vollkommen sinnlos. Kurz darauf suchten sie sogar die Straße ab, die am Strand, der erstaunlicherweise leer war, entlang führte. In den sich langsam abklingenden Sonnenstrahlen konnte man eine Gestalt den Strand entlang rennen sehen.

"Halt an." sagte Ruki.

"Warum? Da joggt doch nur jemand." meinte Reita.

"Nein, du Idiot, da joggt keiner." erwiderte Ruki, der Reita darauf nochmals aufforderte, doch endlich stehen zu bleiben. Natürlich gab Reita nach, denn er kannte Ruki. Er kannte ihn gut genug und er wusste, dass Ruki auch nicht locker lassen würde.

Wie ein Gejagter folgte er den Fußstapfen im nassen Sand und von weiten sah er, ja, er war sich sicher, Kanae. Ihr Schritt wurde jedoch nicht langsamer.

"Kanae, bleib stehen!" rief Ruki ihr hinterher, aber sie schien es zu ignorieren. Also rannte Ruki, wie er noch nie gerannt war - dabei glich es einer Flucht vor dem Tod. Aber selbst dies schien wahrscheinlich viel angenehmer zu sein.

"Kanae!" rief Ruki wieder, als Kanae ihm fast schon zum Greifen nahe war. Er streckte seine Hand nach ihr aus und hatte es endlich geschafft, sie am Arm festzuhalten. Und kaum hatte er das geschafft, so hatte er sie auch schon am anderen Arm gepackt und starrte nun in ihr rot geweintes Gesicht.

Kanae schüttelte, ohne, dass Ruki etwas gesagt hatte, ihren Kopf und wollte sich bereits von ihm losreißen.

"Lass mich los! Ich will das nicht! Ich will das alles nicht mehr!" schluchzte Kanae dann. Ruki hatte das Gefühl, dass Kanae sich wie in einem Wahn befand und es machte ihm Angst, dass es ihm gar Schauder über den Rücken laufen ließ.

"Jetzt sei doch gefälligst mal still!" fuhr er Kanae an und schlagartig war sie einen Moment lang still, sah Ruki mit ihren glasigen Augen an.

"Was ist los mit dir? Wieso bist du abgehauen?" fragte er Kanae dann. Sie sah ihn nur an, als würde sie ihn nicht verstehen.

"Kanae, was hast du? Warum bist du weggerannt, verdammt?" fragte er nochmals und es trieb ihm gar bei Kanae’s zerbrechlichen Anblick schon die Tränen in die Augen.

"Antworte mir, bitte." flehte er nun regelrecht. Aber Kanae schwieg einfach weiter, während ihr Tränen über die glühendheißen Wangen rollten, die Ruki versuchte, wegzuwischen, wenn Kanae diesen Versuch nicht abgewehrt hätte.

"Ist es wegen dem Brief? Ist es wegen Kim? Jetzt sag doch bitte was." wurde Ruki ungeduldiger, wirkte fast schon verzweifelt.

"Sie kommt nicht wieder, ist es deswegen? Rede dir bitte nicht solchen Unsinn ein. Das hat Kim nicht geschrieben, niemals." meinte Ruki, im Versuch, Kanae an sich zu reißen, um sie fest in den Armen halten zu können. Aber auch diesen Versuch wehrte Kanae ab, hatte Ruki sogar eine Ohrfeige verpasst.

"Fass mich nicht an!" zischte sie und legte schützend ihre Arme über Kreutz über ihre Brust und nahm dabei etwas Abstand von Ruki. Er sah sie nur verwirrt an.

Er begriff gar nichts mehr. Kanae’s Verhalten bildete große Fragezeichen in seinem Kopf. Ja, Fragen über Fragen und trotzdem keine Antwort.

"Kanae!" wurde Ruki laut und brachte Kanae zum Zusammenzucken.

"Ich hatte eine Scheißangst, weißt du das eigentlich? Ist dir das bewusst? Warum kommst du auf die Idee, einfach wegzurennen.". Es waren viel zu viele Fragen, die Ruki ihr stellte. Sie wollte keine einzige davon beantworten, lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen.

 

"Was machen die denn da?" murmelte Reita, der sich an sein Motorrad, welches von der Firma Kawasaki und nachtschwarz lackiert war, gelehnt hatte und die beiden rauchend beobachtete hatte. Kurz wanderte sein Blick zur langsam untergehenden Sonne, die die Umgebung malerisch färbte. Plötzlich ertönte ein schriller Schrei, der sogar über das Wasser hallte und die Möwen, die sich an einer Stelle im Sand tummelten, aufkreischen und davonfliegen ließ.

Doch das Schrille in diesem Schrei ertönte wie ein penetrantes Piepen in Reita’s Ohren.

Er sah dann nur Ruki, welcher nach Reita zu rufen schien.

Ruki war mit Kanae, die plötzlich ihr Bewusstsein verloren hatte und in Ruki’s Armen lag, auf die Knie gegangen. Verzweifelt rüttelte er sie.

"Kanae! Mach die Augen auf! Kanae, lass den Scheiß!" schrie er sie regelrecht an.

Von Weiten hörte man nur Reita.

"Was ist denn passiert?" fragte er nur, als er dann vor Ruki stand.

"Einfach zusammengebrochen." sagte Ruki und blickte zu Reita auf.

"Wir brauchen ein Auto, sonst kriegen wir sie nicht weg." meinte Reita dann und sah Ruki nur nicken. Im nächsten Augenblick hatte Reita dann auch schon Aoi angerufen und ihn gebeten, sofort hier her zu kommen.

 

"Ich muss mal kurz weg, ich hoffe, das geht in Ordnung?" fragte Aoi darauf Uruha, der immer noch auf der Couch saß und mit gesenktem Kopf nickte.

"Schlagt euch nicht die Köpfe ein." meinte Aoi dann nur, bevor er dann verschwunden war. Währenddessen stand Kai auf der Terrasse und starrte unentwegt auf das Grün des Rasens. Er zuckte dann aber plötzlich zusammen, als eine leichte Brise über sein Gesicht fuhr und ihn frösteln ließ.

"Warum hast du das getan, Kai?".

Uruha stand plötzlich vor Kai, als dieser sich umdrehte und ins Wohnzimmer zurück wollte. Erschrocken starrte er in Uruha’s Gesicht.

"Was?" reagierte er nur verwirrt und drängelte sich dabei an Uruha vorbei. Er steuerte auf den Sessel zu, auf dem er sich anschließend niederließ. Kai hatte seinen Kopf gesenkt und stützte seine zusammengeballten Hände auf deinem Schoß ab. Man konnte sehen, dass er fast schon dürr aussah.

"Du hast mich schon verstanden." meinte Uruha, der sich nervös über das Gesicht rieb und anschließend eine Zigarette anzündete, die er Kai gereicht hatte und Uruha sich dann selbst eine Zigarette anzündete. Kai starrte den glimmenden Gegenstand zwischen seinem Zeige- und Mittelfinger an, als würde er ihn zum allerersten Mal in den Händen halten. Aber ohne weiters zog er daran, es waren auch schon ein paar Tage vergangen, als er seine letzte Zigarette geraucht hatte.

"Warum hast du das getan, Kai?" fragte Uruha nochmals. Doch es konnte alles sein, was er damit meinen könnte.

"Was soll ich getan haben? Meinst du etwa, dass ich mich in Kimi verliebt habe?" entgegnete Kai dann - erstaunlicherweise machte er einen wirklich gefassten Eindruck. Man hätte es gar nicht für möglich halten können.

"Das und noch viel mehr." meinte Uruha und ließ sich wieder auf der Couch nieder, während er an seiner Zigarette zog.

"Ich weiß, dass du es nicht willst. Aber sollte ich meine Gefühle weiterhin verstecken? Nur wegen dir? Ich hatte es einfach satt, ich hielt es einfach nicht mehr aus." sagte Kai und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. "Aber ich weiß, wie du dich gefühlt haben musst, als ich Kimi einfach meine Liebe gestand. Ich kann das Gefühl wirklich sehr gut nachempfinden." fuhr er dann fort und blickte dabei in Uruha’s Gesicht. Man konnte ihn wirklich an sehen, dass jede einzelne Silbe von Kai ihm Schmerzen bereitete. Es war so grausam. Alles war so grausam, als wenn die Zeilen aus Kim’s Brief nicht schon schlimm genug waren.

"Was weißt du denn schon? Du weißt überhaupt nichts! Du weißt wirklich überhaupt nichts!" lachte Uruha nur auf und drückte nun ebenfalls seine Zigarette im Aschenbecher aus. Er stand wieder auf und lief zur Terrassentür.

"Du hast Recht, ich weiß überhaupt nichts. Ich weiß nicht mal, ob ich dir glauben kann, dass du Kim überhaupt richtig liebst. Du hast sie doch nur für Sex ausgenutzt." sagte Kai dann plötzlich und sprang dabei regelrecht vom Sessel auf.

"Das hat sie nicht verdient." fuhr er fort und hielt einen Moment lang inne.

"Das hat sie einfach nicht verdient, verstehst du?" fragte er dann und warf sich darauf die Hände vors Gesicht. Er weinte aber nicht.

"…nicht verdient." murmelte Kai dann nur und verschwand dann einfach in seinem Zimmer. Laut knallend fiel die Tür ins Schloss und ließ Uruha erschrocken zusammenzucken. Natürlich wusste er, dass es Kim nicht verdient hatte, ausgenutzt zu werden. Er hatte auch nie die Absicht, dass es vielleicht so rüberkommen könnte und trotzdem konnte er es nicht mehr rückgängig machen.

Man sollte die Tatsachen vorerst einfach auf sich beruhen lassen…

 

"Wo bleibt er denn? Er wird doch keine Ewigkeit dazu brauchen, hier her zu finden, dabei hatte ich ihm doch gesagt, wo er lang muss." seufzte Reita, der hinter seinem Motorrad saß und sich darauf abgestützt hatte. Ruki hingegen zuckte nur mit den Schultern und hatte Kanae einfach fest an sich gedrückt, während er im Sand saß und mit dem Rücken gegen Reita’s Motorrad lehnte.

"Ich lauf mal zur Straße." meinte Reita dann, als er auch schon sah, wie ein schwarzer Hyundai Civic mit eingeschalteter Warnblinkanlage am Straßenrand stehen blieb.

Reita hatte die Hände in die Hüften gestützt, während er der Person, welche eine hell getönte Sonnenbrille auf der Nase trug, entgegenkam.

"Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr hier auf." sagte Reita, der Aoi sofort erkannt hatte. Aoi lächelte etwas beschämt.

"Ich war in die falsche Richtung gefahren. Was ist passiert?" fragte Aoi dann auch schon, der an Reita vorbei sah und Ruki nur im Sand sitzen sah. Reita trat näher heran.

"Sie hat einfach los geschrieen und war dann zusammengebrochen." erklärte Reita nur, der ebenfalls einen Blick auf Ruki geworfen hatte.

"Und wie soll es jetzt weitergehen?" fragte Aoi.

"Wir bringen sie erstmal nach Hause und dann sehen wir weiter." meinte Reita, der sich dann von Aoi abgewandt hatte und auf Ruki zukam, vor den er sich dann hockte.

"Komm jetzt, Aoi ist da und bringt euch nach Hause. Ich komme dann auch nach." sagte Reita, der Ruki mit seinem Finger der rechten Hand anstupste.

"Hm." seufzte Ruki nur und rappelte sich mühevoll mit Kanae in den Armen auf.

Kurze Zeit später…

Nachdem Kanae in Ruki’s Bett gelegt wurde und ein Arzt sie untersucht hatte, zog eine unglaubliche Stille auf.

"Sie hatte einen Nervenzusammenbruch" hatte der Arzt nur gemeint und hatte Kanae ein Beruhigungsmittel und Schlaftabletten verschrieben. Ruki sollte genau auf die Dosierung achten, falls Kanae auf die Idee kommen sollte, mehr als erlaubt von den Tabletten zu schlucken. Anderseits könnten auch Nachwirkungen wie Gleichgültigkeit und Lustlosigkeit auftreten. Natürlich waren das nicht gerade aufbauende Nachrichten, aber die Hauptsache war, dass es nichts Ernsteres war und das Kanae sich endlich etwas beruhigen würde.

 

Man hörte nur, wie der Fernseher lief, vor dem Reita und Aoi saßen. Man hörte auch das plätschernde Geräusch von Wasser, welches aus der unteren Dusche ertönte.

Doch niemand hatte bisher ein Wort gesagt.

Aoi und Reita konnte währenddessen Ruki beobachten, wie er still vor sich hin starrte und dabei fast so aussah, als würde er weinen. Er schüttelte seinen Kopf, als wolle er irgendetwas nicht wahrhaben oder begreifen. Seine Lippen zitterten, als würde er frieren.

"Das alles nimmt ihn wohl doch viel zu sehr mit." gähnte Reita und schob dabei seine Beine unter den Tisch. "Mich hätte es schwer gewundert, wenn es nicht so wäre." meinte Aoi nur, der von einem Sender zum nächsten wechselte.

Im selben Moment kam auch schon Kanae ins Wohnzimmer getaumelt. Sie wirkte wie im trunkenen Zustand und rieb sich dabei ihr Gesicht.

"Äh,…". Reita wollte etwas sagen, wenn Aoi ihm nicht den Mund zugehalten hätte. Abgesehen davon schien Kanae die beiden gar nicht zu bemerken und taumelte weiter auf die Terrasse zu. Und ohne, dass Reita oder Aoi einen Laut von sich gaben, verschwanden sie leise nach oben. Man könnte fast meinen, Kanae wäre ein wandelnder Geist, der seine Umgebung überhaupt nicht wahrnahm.

Aber sie hörte Ruki. Hörte seine Stimme und wie er leise etwas vor sich hinsummte. Wahrscheinlich hatte er Kanae noch gar nicht bemerkt, bis sich diese von hinten in seinem schwarzen T-Shirt festgekrallt hatte. Ruki zuckte jedoch nicht erschrocken zusammen.

"Es tut mir leid." sagte Kanae nur leise und umarmte Ruki nun von hinten.

"Weißt du eigentlich, dass ich eine Scheißangst hatte?" fragte Ruki, der dabei regelrecht aufgebracht klang, als er Kanae’s Hände von sich riss und sich zu ihr umdrehte.

"Ich hatte Angst, Kanae. Ich hatte wirklich Angst und ich will, dass dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat. Es soll endlich aufhören." fuhr Ruki sie dann an und packte Kanae unsanft an den Schultern.

Aber Kanae schien kein Wort herauszubekommen, sie starrte Ruki nur an.

Ruki sah sie an und sah sie dann wieder nicht an - seine Lippen zitterten wirklich und Kanae begriff nicht, warum er plötzlich so eine Angst hatte.

"Weißt du, was der Arzt gesagt hat? Er hat gesagt, du hattest einen Nervenzusammenbruch und hat dir Tabletten verschrieben, die ich dir unter Beobachten verabreichen soll. Und weißt du, was er noch gesagt hat? Er hat gesagt, wenn so etwas noch mal passiert, werden sie dich in ein Krankenhaus einliefern. Um es wortwörtlich auszudrücken, dich würde man in eine geschlossene Anstalt stecken. Mit Kai ist es doch genau dasselbe." erklärte Ruki und sah Kanae fassungslos an, dabei rollten ihm bereits Tränen über die blass gewordenen Wangen.

"Sie würden dich mir wegnehmen, ist dir das klar? Es tut mir weh, wenn ich daran denke. Du hast einfach geschrieen. Du hast geschrieen, als hättest du in mir ein Monster gesehen. Es ist grausam." wimmerte Ruki dann und senkte seinen Kopf.

"Es ist wie ein Alptraum, Kanae. Die Welt steht Kopf und alle spielen verrückt. Sag mir, wann hört das endlich auf?" fragte er dann, ohne Kanae dabei anzusehen.

Ja, wann würde es endlich aufhören, wobei es doch gerade erst einmal angefangen hat?

Kanae nahm Ruki’s Gesicht zwischen ihre Hände, spürte seine nassen Wangen.

"Ich wollte das alles nicht, Ruki. Ich wollte es wirklich nicht. Aber ich bin nicht verrückt, das musst du mir glauben." sagte Kanae dann und konnte nun wieder in Ruki’s Gesicht sehen. Er war erschrocken über ihre Worte.

"Wer hat denn gesagt, dass du verrückt bist, verdammt?!" heulte Ruki los und riss Kanae an sich. Er hielt sie so sehr fest, als wenn man versuchen wollte, sie ihm wegzunehmen.

"Wer sagt so was, Kanae?" wimmerte er an ihrer Schulter und krallte sich in das weiße Hemd von ihm, welches Kanae an hatte.

"…Ich liebe dich." hatte er zu ihr gesagt, als er sie einfach nur angesehen hatte.

"Ich werde nie zulassen, dass dich jemand irgendwo mit hin nimmt. Ich würde sogar sterben, um es zu verhindern, verstehst du? Für dich sterben würde mich sogar glücklicher machen, als zuzusehen, dass dich irgendjemand mitnimmt." meinte Ruki dann, dem der seichte Wind einige seiner blonden Haarsträhnen ins Gesicht wehte, sie Kanae dann vorsichtig weg strich. Sie küsste dann einfach die Tränen, die an Ruki’s Lippen hängen blieben, weg und krallte sich dabei an dem Kragen seines T-Shirts fest.

"Ich werde nicht weggehen. Ich werde nie wieder von dir weggehen. Ich habe so viel falsch gemacht, so viel Dummheiten angestellt, dich wütend und traurig gemacht. Das will ich nicht mehr und ich werde versuchen, mich anzustrengen…nur, wenn du es möchtest…" flüsterte Kanae an Ruki’s Brust. Sie sah zu ihm auf und sah ihn nur unentwegt nicken. "Es ist okay, solange du nur bei mir bleibst." sagte er nur.

Wie lange hatte es gedauert, bis beide endlich soweit kamen, wie sie es jetzt waren?

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update: 18-Feb-2008  
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